Vom Zweiten zum Dritten Weltkrieg: Die globale NATO und das remilitarisierte Deutschland
Der US-Journalist Rick Rozoff befasst sich erneut mit den durch die
NATO-Gründung verfolgten Absichten und den Gründen für Deutschlands schnelle
Remilitarisierung.
Die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 war nicht der Auftakt zu einer allgemeinen Tendenz in Europa, sie war eher eine Anomalie. Im Jahr danach zerbrach die Sowjetunion in ihre fünfzehn Einzelrepubliken, und derselbe Prozess setzte auch in Jugoslawien ein; er wurde beschleunigt von Deutschland, das die Teilrepubliken Kroatien und Slowenien, die von einem Staat abgefallen waren, der aus den Zerstörungen des Ersten Weltkriegs entstanden und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auferstanden war, sofort anerkannte.
Zwei Jahre später spaltete sich auch die Tschechoslowakei auf, die wie die Sowjetunion und Jugoslawien als multinationaler Staat aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war.
Mit der Eingliederung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik, die bereits seit 1949 den Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland beansprucht hatte, wurde die komplette Nation einer gemeinsamen Militärstruktur untergeordnet und in den NATO-Block eingebracht.
Nachdem es schon keine Zeit bei seiner Installierung als Kontinentalmacht verloren hatte, machte das vereinte Deutschland sofort seinen Anspruch als geopolitische Militärmacht geltend, indem es seine Aufmerksamkeit einem Teil Europas zuwandte, auf dem es schon in zwei Weltkriegen agiert hatte: dem Balkan.
Mit Militäreinsätzen und Interventionen in Kroatien, Bosnien, im Kosovo und Mazedonien, die bereits 1995 begannen und über 2001 hinaus andauerten, hat die deutsche Bundeswehr eine Barriere überwunden, ein Tabu verletzt und einen neuen Präzedenzfall geschaffen, der an die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes im Jahr 1936 erinnert, diese schamlose Verletzung des Versailler Vertrages von 1919. Der Einmarsch der Hitler-Wehrmacht ins Rheinland wird von Historikern als Ausgangspunkt für die Expansionspläne des Dritten Reiches und den Zweiten Weltkrieg angesehen. Diese Annahme trifft tatsächlich zu, denn auf die Provokation von 1936 folgten im nächsten Jahr die Bombardierung der spanischen Stadt Guernica, der Münchener Verrat an der Tschechoslowakei und der Anschluss Österreichs im Jahr 1938 und der Überfall auf Polen im Jahr 1939; damit war die zweite europäischen Feuersbrunst entfacht, die erst endete, als etwa fünfzig Millionen Menschen getötet worden waren.
Den Vergleich zwischen dem Einmarsch des deutschen Militärs ins Rheinland 1936 und seinem (erneuten) Auftauchen auf dem Balkan in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts werden nur diejenigen für zu gewagt halten, die sich nicht mehr an die Geschichte der ersten Jahre sofort nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern.
Auf der letzten der drei Zusammenkünfte der im Zweiten Weltkrieg gebildeten Koalition gegen die (faschistischen) Achsenmächte, zu der sich die Führungspersonen Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten in Potsdam, Deutschland, nach der Niederlage des Dritten Reiches trafen, haben Winston Churchill [der später von seinem Nachfolger als Premierminister, Clement Attlee, abgelöst wurde], Joseph Stalin und Harry Truman präzise Vorstellungen entwickelt, wie Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen in der Nachkriegsperiode aussehen sollten.
Die Potsdamer Konferenz legte in einem Protokoll fest, dass "eine vollständige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands" stattfinden müsse und alle Anlagen der deutschen Industrie, die zu militärischen Zwecken verwendet werden könnten zu demontieren seien. Außerdem wurden alle militärischen und paramilitärischen deutschen Verbände aufgelöst, und den Deutschen die Produktion jeglicher Waffen verboten.
Im Rückblick wird jetzt deutlich, dass zwei Nationen, deren Staatschefs anwesend waren entweder überhaupt keine Pläne zur Verwirklichung des Potsdamer Abkommens hatten, oder sie schnell wieder aufgaben.
Ein britisches Dokument, das in den Monaten vor der Kapitulation Nazi-Deutschlands im Mai 1945 und der nachfolgende Potsdamer Konferenz, die vom 17. Juli bis zum 2. August dauerte, erarbeitet wurde, trägt den Titel: "Operation Unthinkable: Russia: Threat to Western Civilization" (Operation Undenkbar: Die Bedrohung der westlichen Zivilisation durch Russland); es wurde freigegeben und 1998 veröffentlicht. Eine Fotokopie dieses Dokuments des Gemeinsamen Planungstabes des britischen Kriegskabinetts, das die Daten 22. Mai, 8. Juni, und 11. Juli 1945 trägt, ist verfügbar auf der Website der Northwestern University in Boston unter http://www.history.neu.edu/PRO2/. (Darin heißt es auf Seite 002, nachzulesen unter http://www.history.neu.edu/PRO2/pages/002.htm :)
Schon in dem britischen Dokument aus dem Zweiten Weltkrieg wird die Sowjetunion übrigens durchgängig als Russland bezeichnet, und es enthält Pläne nicht nur für einen Krieg, sondern auch für eine Änderung des politischen Systems und eine Zerstückelung der Sowjetunion nach dem (darin skizzierten) Dritten Weltkrieg.
Als Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts Einzelheiten über die 'Operation Unthinkable' bekannt wurden, kamen die stärkste Reaktionen – was nicht überrascht – aus dem postsowjetischen Russland.
Im März 2005 wurde der russische Historiker Valentin Falin (der 1971 bis 1978 Botschafter der Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland war) von RIA Novosti interviewt. In dem Interview, das die Nachrichtenagentur unter der Überschrift "Russland wäre mit den Dritten Weltkrieg konfrontiert worden, wenn es Berlin nicht erstürmt hätte" auf ihrer Website veröffentlicht hat, werden Details aus den Plänen Churchills mitgeteilt:
Fünfundsechzig Jahre nach der Niederlage Nazi-Deutschland sollte man sich wieder intensiver mit den Vorhaltungen befassen, dass Figuren aus der Regierung und dem Militär der USA und Großbritanniens schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit den Nazis und in den letzten Tagen des Krieges wieder mit dem deutschen Verteidigungsministerium und Vertretern der Wehrmacht konspiriert haben.
Die im Westen zunehmende Tendenz, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs zu revidieren, hat ihre bisher schlimmste Ausprägung in einer Passage der Resolution "Zur Wiedervereinigung des geteilten Europas" gefunden, die von der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa / OSZE am 3. Juli verabschiedet wurde; darin wird die ehemalige Sowjetunion (und als Rechtsnachfolger das gegenwärtige Russland) mitverantwortlich für die Provozierung des Zweiten Weltkriegs gemacht. (s. http://derstandard.at/fs/1246541335637/OSZE-Resolution-zum-Zweiten-Weltkrieg) Valentin Zorin, ein Veteran unter den russischen Journalisten, hat seine Leser in einem dazu verfassten Kommentar auf mehreren Ereignisse aufmerksam gemacht, die von führenden westlichen Kreisen und ihnen nahestehenden Medien und Wissenschaftlern gewöhnlich unter den Teppich gekehrt werden:
Das NATO-Bündnis versteht sich in den letzten Jahren zunehmend als global agierende NATO des 21. Jahrhunderts, versucht das heutige Russland von fast allen Seiten einzukreisen und ist dabei, geschichtliche Entwicklungen immer dreister zu revidieren; der Westen ist aus dem Kalten Krieg so triumphierend hervorgegangen, dass er sogar nicht mehr davor zurückschreckt, die Nazis und ihre Kollaborateure zu entlasten, während das moderne Russland gleichzeitig als einer der "Schurken" des Zweiten Weltkriegs angeschwärzt wird. Angesichts dieser (besorgniserregenden) Entwicklung dürfte die eingangs aufgestellte These, dass wir auf dem Weg "vom Zweiten zum Dritten Weltkrieg" sind, nicht allzu weit hergeholt sein.
Weiter oben wurde bereits festgestellt, dass sich die Führungspersonen Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 einig waren, dass Deutschland völlig demilitarisiert werden müsse. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass Deutschland nach der systematischen Entwaffnung nie wieder eigenes Militär haben dürfe.
Stattdessen begannen die Vereinigten Staaten im Jahr 1950, als der Korea-Krieg begann, an dem Truppen der meisten ihrer neuen NATO-Verbündeten beteiligt waren und der zu einer bewaffnete Auseinandersetzung mit China eskalierte, an der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Aufnahme in die NATO zu arbeiten. (Nach heftigen innenpolitischen Kontroversen wurden am 2. Januar 1956 die ersten Bundeswehr-Freiwilligen einberufen.) Mitglieder des US-geführten Militärblocks drängten auf die Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft / EVG mit einer einheitlichen Armee, Marine und Luftwaffe, die sich aus den Streitkräften aller Mitgliedstaaten zusammensetzen sollte.
Ein EVG-Vertrag wurde im Mai 1952 unterzeichnet, aber von den Gaullisten und Kommunisten in der französischen Nationalversammlung abgelehnt. Mit der französischen Ablehnung war die EVG zwar gestorben, aber die Vereinigten Staaten, und Großbritannien fanden andere Möglichkeiten, um die Bundesrepublik zu remilitarisieren. (s. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Verteidigungsgemeinschaft)
Mit der Schaffung der Westeuropäischen Union im Jahr 1954 wurde der Bundesrepublik Deutschland erlaubt – oder besser, sie wurde dazu ermutigt – sich wieder zu bewaffnen, und die Kontrolle über ihre Streitkräfte, die Bundeswehr, selbst auszuüben.
Im Jahr 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten antworteten noch im gleichen Jahr mit der Gründung des Warschauer Paktes.
Zwei der wichtigsten Gründe für die im Jahr 1949 vollzogene Gründung der North Atlantic Treaty Organization waren die Stationierung von Atomwaffen in Europa – über welche die Vereinigten Staaten bei der Gründung des Bündnisses noch allein verfügten – und die Aufrüstung Deutschlands zu einer militärischen Festung auf dem Kontinent, die sich als transatlantischer Vorposten (und zur "Vorneverteidigung" der USA und Großbritanniens) eignete.
Alle die noch dem Irrglauben anhängen, die NATO sei als Verteidigungsbündnis gegen eine sowjetische Bedrohung Westeuropas notwendig gewesen, würden gut daran tun, sich folgende Tatsachen in Erinnerung zu rufen:
Der Warschauer Pakt wurde sechs Jahre nach der NATO und vor allem als Antwort auf die Ausweitung der NATO auf die Bundesrepublik gegründet.
Der Warschauer Pakt war schon lange dem Untergang geweiht und löste sich 1991 offiziell auf. Achtzehn Jahre später besteht NATO immer noch, obwohl es keine sowjetische oder andere glaubhafte Bedrohung mehr gibt.
Im letzten Jahrzehnt allein hat sie sich von 16 auf 28 Mitgliedsstaaten erweitert, und alle zwölf neuen liegen in Osteuropa, vier davon grenzen sogar direkt an Russland.
Während dieser letzten zehn Jahre führte sie ihren ersten Luftkrieg gegen Jugoslawien und ihren ersten Bodenkrieg in Afghanistan – beide außerhalb ihres selbst definierten Verteidigungsbereichs und den zweiten sogar auf einem anderen Kontinent, eine halbe Welt von Nordamerika entfernt und keinesfalls in der Nähe des Nordatlantiks.
Diese NATO dehnte sich offiziell in das Gebiet des ehemaligen Warschauer Paktes aus, als sie 1999 auf dem Gipfel zu ihrem 50. Jahrestag Tschechien, Ungarn und Polen aufnahm – während ihres ersten 78tägigen Bombenkrieges gegen Jugoslawien, zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges; sie lieferte damit eine unwiderlegbare rückwirkende Bestätigung ihrer wahren Natur und des Zwecks ihrer Gründung.
Der Militärblock hat weiterhin Atomwaffen in Europa stationiert, auch auf Flugplätzen in Deutschland, mit Langstreckenbombern und Raketen, die sie transportieren können. Die NATO hat erst kürzlich ihre Atomwaffendoktrin bestätigt, die auch den Ersteinsatz von Atomwaffen einschließt.
Der größte Militärblock der Welt, der als einziger überlebt hat und ein Drittel aller Staaten der Welt als Vollmitglieder oder in verschieden Partnerschaften umfasst, wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa geboren. Von Anfang an war sein fundamentaler Zweck die Bündelung des militärischen Potenzials der Staaten im Westen, Norden, und und Süden des europäischen Kontinents zu einer engen aber ausdehnbaren Phalanx, die in Europa oder auch auf anderen Kontinenten agieren kann. Sieger und Besiegte des größten und mörderischen Konflikts der Geschichte – Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland und Italien – wurden unter einem gemeinsamen militärischen Befehl zusammengeschlossen.
Der Übergang vom Zweiten Weltkrieg in einen noch katastrophaleren, weil atomaren Dritten Weltkrieg wurde zwar bisher vermieden, es gibt aber Gründe für die Annahme, dass der Zweite Weltkrieg eigentlich niemals endete, sondern nur seine Schauplätze wechselte. Als Beispiel für eine nahtlose Anpassung kann eine biografische Fallstudie dienen, die vor drei Jahren als beweihräuchernder Nachruf von der NEW YORK TIMES veröffentlicht wurde; der folgende Auszug ist daraus entnommen:
Es wäre sicher auch sehr erhellend, von ihm zu hören, ob nach seiner Meinung in seiner Militärkarriere jemals ein Kurswechsel stattgefunden hat oder ob sie ihn nicht – einer logischen, wenn nicht sogar unvermeidlichen Entwicklung folgend – auf dem gleiche Pfad von der Wehrmacht in die NATO geführt hat.
Man darf wohl annehmen, dass der Graf am Ende seiner Tage sogar stolz auf ein Deutschland gewesen ist, das zum drittgrößten Waffenhändler der Welt geworden ist und mit 126 Nationen – also mit mehr als zwei Dritteln aller Staaten der Welt Abkommen über Waffenlieferungen geschlossen hat, das derzeit Truppen in Kriegs- und Konfliktgebiete in mindestens elf Ländern entsandt hat und beim NATO-Gipfel dieses Jahres seine Armee auch wieder zu Hause einsetzte.
Von Rick Rozoff, Stop NATO
GLOBAL RESEARCH, 15.07.09
( http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=14377 )
GLOBAL RESEARCH, 15.07.09
( http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=14377 )
Die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 war nicht der Auftakt zu einer allgemeinen Tendenz in Europa, sie war eher eine Anomalie. Im Jahr danach zerbrach die Sowjetunion in ihre fünfzehn Einzelrepubliken, und derselbe Prozess setzte auch in Jugoslawien ein; er wurde beschleunigt von Deutschland, das die Teilrepubliken Kroatien und Slowenien, die von einem Staat abgefallen waren, der aus den Zerstörungen des Ersten Weltkriegs entstanden und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auferstanden war, sofort anerkannte.
Zwei Jahre später spaltete sich auch die Tschechoslowakei auf, die wie die Sowjetunion und Jugoslawien als multinationaler Staat aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war.
Mit der Eingliederung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik, die bereits seit 1949 den Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland beansprucht hatte, wurde die komplette Nation einer gemeinsamen Militärstruktur untergeordnet und in den NATO-Block eingebracht.
Nachdem es schon keine Zeit bei seiner Installierung als Kontinentalmacht verloren hatte, machte das vereinte Deutschland sofort seinen Anspruch als geopolitische Militärmacht geltend, indem es seine Aufmerksamkeit einem Teil Europas zuwandte, auf dem es schon in zwei Weltkriegen agiert hatte: dem Balkan.
Mit Militäreinsätzen und Interventionen in Kroatien, Bosnien, im Kosovo und Mazedonien, die bereits 1995 begannen und über 2001 hinaus andauerten, hat die deutsche Bundeswehr eine Barriere überwunden, ein Tabu verletzt und einen neuen Präzedenzfall geschaffen, der an die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes im Jahr 1936 erinnert, diese schamlose Verletzung des Versailler Vertrages von 1919. Der Einmarsch der Hitler-Wehrmacht ins Rheinland wird von Historikern als Ausgangspunkt für die Expansionspläne des Dritten Reiches und den Zweiten Weltkrieg angesehen. Diese Annahme trifft tatsächlich zu, denn auf die Provokation von 1936 folgten im nächsten Jahr die Bombardierung der spanischen Stadt Guernica, der Münchener Verrat an der Tschechoslowakei und der Anschluss Österreichs im Jahr 1938 und der Überfall auf Polen im Jahr 1939; damit war die zweite europäischen Feuersbrunst entfacht, die erst endete, als etwa fünfzig Millionen Menschen getötet worden waren.
Den Vergleich zwischen dem Einmarsch des deutschen Militärs ins Rheinland 1936 und seinem (erneuten) Auftauchen auf dem Balkan in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts werden nur diejenigen für zu gewagt halten, die sich nicht mehr an die Geschichte der ersten Jahre sofort nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern.
Auf der letzten der drei Zusammenkünfte der im Zweiten Weltkrieg gebildeten Koalition gegen die (faschistischen) Achsenmächte, zu der sich die Führungspersonen Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten in Potsdam, Deutschland, nach der Niederlage des Dritten Reiches trafen, haben Winston Churchill [der später von seinem Nachfolger als Premierminister, Clement Attlee, abgelöst wurde], Joseph Stalin und Harry Truman präzise Vorstellungen entwickelt, wie Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen in der Nachkriegsperiode aussehen sollten.
Die Potsdamer Konferenz legte in einem Protokoll fest, dass "eine vollständige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands" stattfinden müsse und alle Anlagen der deutschen Industrie, die zu militärischen Zwecken verwendet werden könnten zu demontieren seien. Außerdem wurden alle militärischen und paramilitärischen deutschen Verbände aufgelöst, und den Deutschen die Produktion jeglicher Waffen verboten.
Im Rückblick wird jetzt deutlich, dass zwei Nationen, deren Staatschefs anwesend waren entweder überhaupt keine Pläne zur Verwirklichung des Potsdamer Abkommens hatten, oder sie schnell wieder aufgaben.
Ein britisches Dokument, das in den Monaten vor der Kapitulation Nazi-Deutschlands im Mai 1945 und der nachfolgende Potsdamer Konferenz, die vom 17. Juli bis zum 2. August dauerte, erarbeitet wurde, trägt den Titel: "Operation Unthinkable: Russia: Threat to Western Civilization" (Operation Undenkbar: Die Bedrohung der westlichen Zivilisation durch Russland); es wurde freigegeben und 1998 veröffentlicht. Eine Fotokopie dieses Dokuments des Gemeinsamen Planungstabes des britischen Kriegskabinetts, das die Daten 22. Mai, 8. Juni, und 11. Juli 1945 trägt, ist verfügbar auf der Website der Northwestern University in Boston unter http://www.history.neu.edu/PRO2/. (Darin heißt es auf Seite 002, nachzulesen unter http://www.history.neu.edu/PRO2/pages/002.htm :)
"Das übergeordnete politische Ziel ist es, Russland den Willen der Vereinigten Staaten und des Britischen Empires aufzuzwingen. ..."Vor einigen Jahren wurde in einer russischen Einschätzung des Dokumentes festgestellt: "Es war die Grundlage für die berüchtigte 'Operation Unthinkable', die den Zweiten Weltkrieg ohne Zwischenstadien sofort in den Dritten Weltkrieg münden lassen wollte, mit der Absicht, der Sowjetunion eine totale Niederlage zuzufügen und sie als Vielvölkerstaat zu zerstören." [1] Die endgültige Niederlage der Sowjetunion und der Zerfall des Vielvölkerstaats trat dann tatsächlich im Jahr 1991 ein.
"Ein schneller Erfolg könnte die Russen veranlassen, sich unserem Willen zu unterwerfen. ... Das müssen aber die Russen entscheiden. Wenn sie den totalen Krieg wollen, können sie ihn haben."
Schon in dem britischen Dokument aus dem Zweiten Weltkrieg wird die Sowjetunion übrigens durchgängig als Russland bezeichnet, und es enthält Pläne nicht nur für einen Krieg, sondern auch für eine Änderung des politischen Systems und eine Zerstückelung der Sowjetunion nach dem (darin skizzierten) Dritten Weltkrieg.
Als Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts Einzelheiten über die 'Operation Unthinkable' bekannt wurden, kamen die stärkste Reaktionen – was nicht überrascht – aus dem postsowjetischen Russland.
Im März 2005 wurde der russische Historiker Valentin Falin (der 1971 bis 1978 Botschafter der Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland war) von RIA Novosti interviewt. In dem Interview, das die Nachrichtenagentur unter der Überschrift "Russland wäre mit den Dritten Weltkrieg konfrontiert worden, wenn es Berlin nicht erstürmt hätte" auf ihrer Website veröffentlicht hat, werden Details aus den Plänen Churchills mitgeteilt:
"Der neue Krieg sollte am 1. Juli 1945 beginnen. Amerikaner, Kanadier, die britischen Einheiten in Europa, das polnische Expeditionskorps und die 10 bis 12 deutschen Divisionen, die noch nicht aufgelöst worden waren und in Schleswig-Holstein und im südlichen Dänemark bereitstanden, sollten an der Operation teilnehmen." [2]
In weiteren Beobachtungen, die in der Überschrift des Interviews angesprochen werden, trug Falin vor: "Hinter dem Entschluss der sowjetischen Führung, Berlin zu erobern und die Demarkationslinien zu erreichen, die 1945 auf der Konferenz in Yalta von Stalin, Roosevelt und Churchill vereinbart worden waren, stand die äußerst wichtige Absicht, unter allen Umständen das politisches Vabanquespiel zu vereiteln, das der britische Premierminister (Churchill) mit Unterstützung einflussreicher US-Kreise einfädeln wollte, um den Zweiten Weltkrieg nahtlos in den Dritten übergehen zu lassen, in dem sich unsere bisherigen Verbündeten in Feinde verwandelt hätten." [3]
Der russische Wissenschaftler und Autor des Buches "Zweite Front" (erschienen als Knaur-Taschenbuch, 1997), besteht darauf, dass die Einnahme Berlins, die 120.000 sowjetische Soldaten das Leben gekostet hat, westliche Pläne vereitelte, die eine Verlängerung des Zweiten Weltkriegs in einen Dritten nach sich gezogen hätten.
"Der Kampf um Berlin ernüchterte ziemlich viele der Kriegstreiber und erfüllte deshalb seinen politischen, psychologischen und militärischen Zweck. Glauben Sie mir, es gab viele politische und militärische Figuren im Westen, die sich durch die leichten Siege in Westeuropa im Frühjahr 1945 (zu weiteren Taten) ermutigt fühlten.
Einer von ihnen war der amerikanische General George Patton. Er verlangte hysterisch, den Vormarsch der amerikanischen Truppen über die Elbe, durch Polen und die Ukraine bis nach Stalingrad fortzusetzen, um den Krieg in der Stadt zu beenden, in der Hitler geschlagen worden war. Patton nannte die Russen 'die Nachkommen Dschingis Khans'. Auch Churchill war bei der Wahl von Bezeichnungen für die Menschen der Sowjetunion nicht besonders zimperlich. Er bezeichnete die Bolschewiken als 'Barbaren' und 'bösartige Paviane'. Kurz gesagt, die 'Theorie vom Untermenschen' war offensichtlich kein deutsches Monopol." [4]
In einem nachfolgenden Interview mit RIA Novosti lieferte Falin weitere Informationen:
"Joseph Clark Grew, ein Staatssekretär im US-Außenministerium, schrieb im Mai 1945 in sein Tagebuch, dass infolge des Krieges die Vorherrschaft und Überlegenheit Deutschlands und Japans an die Sowjetunion übergegangen sei, die in Zukunft die Amerikaner genau so bedrohen könnte, wie es die (beiden) Achse-Mächte getan hatten. Er fügte hinzu, dass ein baldiger Krieg gegen die Sowjetunion so sicher sei, wie irgendetwas auf dieser Welt sein könnte. Grew soll ein Freund des verstorbenen Präsidenten Roosevelt gewesen sein." [5]
An die Dimensionen der "Operation Unthinkable" erinnernd – der gemeinsame Überfall und die Invasion sollten mit 112 - 113 Divisionen, darunter 10 - 12 Wehrmachts-Divisionen, durchgeführt werden – fügte der russische Historiker hinzu: "In dem Dokument über die 'Operation Unthinkable', das 1998 freigegeben wurde, ist nichts zu der Propagandalüge über Moskaus angebliche Pläne gesagt, 'das wehrlose Europa' zu besetzen und bis zur Atlantikküste vorzustoßen, weil die Generalstabschefs nur praktische Operationsdirektiven erarbeiteten." [6]
In einem Artikel mit der Überschrift "Der Kalte Krieg war ein Nachkomme des heißen Krieges'', der ein Jahr später erschien, schrieb Falin, dass Stewart Menzies, der Chef des britischen Geheimdienstes MI 5, im unbesetzten Teil Frankreichs eine Reihe heimlicher Treffen mit seinem deutschen Gegenspieler, Admiral Wilhelm Canaris, hatte, um Möglichkeiten zu besprechen, wie Deutschland zum Freund und die Sowjetunion zum Feind (Großbritanniens) gemacht werden könnte. [7]
Fünfundsechzig Jahre nach der Niederlage Nazi-Deutschland sollte man sich wieder intensiver mit den Vorhaltungen befassen, dass Figuren aus der Regierung und dem Militär der USA und Großbritanniens schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit den Nazis und in den letzten Tagen des Krieges wieder mit dem deutschen Verteidigungsministerium und Vertretern der Wehrmacht konspiriert haben.
Die im Westen zunehmende Tendenz, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs zu revidieren, hat ihre bisher schlimmste Ausprägung in einer Passage der Resolution "Zur Wiedervereinigung des geteilten Europas" gefunden, die von der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa / OSZE am 3. Juli verabschiedet wurde; darin wird die ehemalige Sowjetunion (und als Rechtsnachfolger das gegenwärtige Russland) mitverantwortlich für die Provozierung des Zweiten Weltkriegs gemacht. (s. http://derstandard.at/fs/1246541335637/OSZE-Resolution-zum-Zweiten-Weltkrieg) Valentin Zorin, ein Veteran unter den russischen Journalisten, hat seine Leser in einem dazu verfassten Kommentar auf mehreren Ereignisse aufmerksam gemacht, die von führenden westlichen Kreisen und ihnen nahestehenden Medien und Wissenschaftlern gewöhnlich unter den Teppich gekehrt werden:
"Mit dem berüchtigten erfolglosen Münchener Komplott zwischen westlichen Politikern und dem Nazi-Führer wurde der Versuch unternommen, die deutschen Armeen gegen die Sowjetunion in Marsch zu setzen. In jenen Tagen bemühte sich Moskau um die Bildung einer Anti-Hitler-Koalition und lud zu diesem Zweck eine britische und eine französische Delegation zu Gesprächen ein, die sich aber lang hinzogen und erfolglos blieben. London und Paris sabotierten die Verhandlungen, während sie den Führer drängten, die UDSSR anzugreifen.Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass weder der Akademiker Falin noch der Journalist Zorin mit ihrem Erinnern an die Vorgänge in den Jahren 1939 - 1945 die ehemalige UDSSR und ihre damalige Führung in Schutz nehmen oder Jahrzehnte zurückliegende Konflikte aus heutiger Sicht bewerten wollten. Sie und andere –darunter Russlands gegenwärtige politische Führung – sind viel stärker betroffen und alarmiert über Vorgänge in der Gegenwart und Entwicklungen, die in Zukunft drohen.
Sogar nachdem der Krieg ausgebrochen war, gaben hochrangige Politiker in London und Paris ihre Versuche nicht auf, die Divisionen Hitlers umzudrehen und sie auf die Sowjetunion zu hetzen. Während einer mehrere Monate andauernden Periode seltsamen Stillhaltens (im Westen), die als "komischer Krieg" bekannt ist, blieben sie an der Front absichtlich untätig, ließen aber maßgebliche britische und französische Politiker insgeheim weiter mit Hitler verhandeln.
Die Geheimnistuerei um diese Verhandlungen wurde fast ein halbes Jahrhundert später am 17. August 1987 mit Rudolf Hess begraben; Hitlers Stellvertreter in der Nazi-Partei war in Nürnberg zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden und im Gefängnis in Berlin-Spadau unter ungeklärten Umständen verstorben. Zehn Tage, bevor Deutschland die Sowjetunion angriff, war Hess allein nach Schottland geflogen, um Geheimgespräche mit Kreisen zu führen, die der britischen Regierung nahe standen. Später sickerte durch, dass es in diesen Gesprächen um einen Beendigung der Kampfhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland und um ein gemeinsames Vorgehen gegen die Sowjetunion ging ...." [8]
Das NATO-Bündnis versteht sich in den letzten Jahren zunehmend als global agierende NATO des 21. Jahrhunderts, versucht das heutige Russland von fast allen Seiten einzukreisen und ist dabei, geschichtliche Entwicklungen immer dreister zu revidieren; der Westen ist aus dem Kalten Krieg so triumphierend hervorgegangen, dass er sogar nicht mehr davor zurückschreckt, die Nazis und ihre Kollaborateure zu entlasten, während das moderne Russland gleichzeitig als einer der "Schurken" des Zweiten Weltkriegs angeschwärzt wird. Angesichts dieser (besorgniserregenden) Entwicklung dürfte die eingangs aufgestellte These, dass wir auf dem Weg "vom Zweiten zum Dritten Weltkrieg" sind, nicht allzu weit hergeholt sein.
In Valentin Zorins Artikel steht auch: "Mancherorts möchte man die Nachkriegsgrenzen in Europa und im Fernen Osten revidieren, die Gültigkeit der UN Charta infrage stellen und die Urteile von Nürnberg (gegen führende Nazis) in der Versenkung verschwinden lassen. Moderne Revanchisten lenken und finanzieren die großangelegte Propaganda-Kampagne, mit der die Geschichte des Zweiten Weltkriegs gefälscht wird." [9]
Weiter oben wurde bereits festgestellt, dass sich die Führungspersonen Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 einig waren, dass Deutschland völlig demilitarisiert werden müsse. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass Deutschland nach der systematischen Entwaffnung nie wieder eigenes Militär haben dürfe.
Stattdessen begannen die Vereinigten Staaten im Jahr 1950, als der Korea-Krieg begann, an dem Truppen der meisten ihrer neuen NATO-Verbündeten beteiligt waren und der zu einer bewaffnete Auseinandersetzung mit China eskalierte, an der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Aufnahme in die NATO zu arbeiten. (Nach heftigen innenpolitischen Kontroversen wurden am 2. Januar 1956 die ersten Bundeswehr-Freiwilligen einberufen.) Mitglieder des US-geführten Militärblocks drängten auf die Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft / EVG mit einer einheitlichen Armee, Marine und Luftwaffe, die sich aus den Streitkräften aller Mitgliedstaaten zusammensetzen sollte.
Ein EVG-Vertrag wurde im Mai 1952 unterzeichnet, aber von den Gaullisten und Kommunisten in der französischen Nationalversammlung abgelehnt. Mit der französischen Ablehnung war die EVG zwar gestorben, aber die Vereinigten Staaten, und Großbritannien fanden andere Möglichkeiten, um die Bundesrepublik zu remilitarisieren. (s. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Verteidigungsgemeinschaft)
Mit der Schaffung der Westeuropäischen Union im Jahr 1954 wurde der Bundesrepublik Deutschland erlaubt – oder besser, sie wurde dazu ermutigt – sich wieder zu bewaffnen, und die Kontrolle über ihre Streitkräfte, die Bundeswehr, selbst auszuüben.
Im Jahr 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten antworteten noch im gleichen Jahr mit der Gründung des Warschauer Paktes.
Zwei der wichtigsten Gründe für die im Jahr 1949 vollzogene Gründung der North Atlantic Treaty Organization waren die Stationierung von Atomwaffen in Europa – über welche die Vereinigten Staaten bei der Gründung des Bündnisses noch allein verfügten – und die Aufrüstung Deutschlands zu einer militärischen Festung auf dem Kontinent, die sich als transatlantischer Vorposten (und zur "Vorneverteidigung" der USA und Großbritanniens) eignete.
Alle die noch dem Irrglauben anhängen, die NATO sei als Verteidigungsbündnis gegen eine sowjetische Bedrohung Westeuropas notwendig gewesen, würden gut daran tun, sich folgende Tatsachen in Erinnerung zu rufen:
Der Warschauer Pakt wurde sechs Jahre nach der NATO und vor allem als Antwort auf die Ausweitung der NATO auf die Bundesrepublik gegründet.
Der Warschauer Pakt war schon lange dem Untergang geweiht und löste sich 1991 offiziell auf. Achtzehn Jahre später besteht NATO immer noch, obwohl es keine sowjetische oder andere glaubhafte Bedrohung mehr gibt.
Im letzten Jahrzehnt allein hat sie sich von 16 auf 28 Mitgliedsstaaten erweitert, und alle zwölf neuen liegen in Osteuropa, vier davon grenzen sogar direkt an Russland.
Während dieser letzten zehn Jahre führte sie ihren ersten Luftkrieg gegen Jugoslawien und ihren ersten Bodenkrieg in Afghanistan – beide außerhalb ihres selbst definierten Verteidigungsbereichs und den zweiten sogar auf einem anderen Kontinent, eine halbe Welt von Nordamerika entfernt und keinesfalls in der Nähe des Nordatlantiks.
Diese NATO dehnte sich offiziell in das Gebiet des ehemaligen Warschauer Paktes aus, als sie 1999 auf dem Gipfel zu ihrem 50. Jahrestag Tschechien, Ungarn und Polen aufnahm – während ihres ersten 78tägigen Bombenkrieges gegen Jugoslawien, zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges; sie lieferte damit eine unwiderlegbare rückwirkende Bestätigung ihrer wahren Natur und des Zwecks ihrer Gründung.
Der Militärblock hat weiterhin Atomwaffen in Europa stationiert, auch auf Flugplätzen in Deutschland, mit Langstreckenbombern und Raketen, die sie transportieren können. Die NATO hat erst kürzlich ihre Atomwaffendoktrin bestätigt, die auch den Ersteinsatz von Atomwaffen einschließt.
Der größte Militärblock der Welt, der als einziger überlebt hat und ein Drittel aller Staaten der Welt als Vollmitglieder oder in verschieden Partnerschaften umfasst, wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa geboren. Von Anfang an war sein fundamentaler Zweck die Bündelung des militärischen Potenzials der Staaten im Westen, Norden, und und Süden des europäischen Kontinents zu einer engen aber ausdehnbaren Phalanx, die in Europa oder auch auf anderen Kontinenten agieren kann. Sieger und Besiegte des größten und mörderischen Konflikts der Geschichte – Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland und Italien – wurden unter einem gemeinsamen militärischen Befehl zusammengeschlossen.
Der Übergang vom Zweiten Weltkrieg in einen noch katastrophaleren, weil atomaren Dritten Weltkrieg wurde zwar bisher vermieden, es gibt aber Gründe für die Annahme, dass der Zweite Weltkrieg eigentlich niemals endete, sondern nur seine Schauplätze wechselte. Als Beispiel für eine nahtlose Anpassung kann eine biografische Fallstudie dienen, die vor drei Jahren als beweihräuchernder Nachruf von der NEW YORK TIMES veröffentlicht wurde; der folgende Auszug ist daraus entnommen:
"General Johann-Adolf Graf von Kielmansegg war im Zweiten Weltkrieg Offizier in einer deutschen Panzerdivision und auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa; er starb am 26. Mai (2006) in Bonn im Alter von 99 Jahren. ... Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war er Kommandeur einer Panzerdivision. 1940 nahm er an der deutschen Invasion Frankreichs teil, umfuhr die veralteten Befestigungen der Maginot-Linie in Ostfrankreich und brach zur Kanalküste durch. Nach Kämpfen an der russischen Front wurde er in den Generalstab nach Berlin berufen. Wieder zur Panzerwaffe versetzt, kämpfte er im Westen Deutschlands gegen die amerikanische Armee. ..." [10]Es wäre faszinierend, zu erfahren, was Graf von Kielmansegg am Ende seines fast ein Jahrhundert dauernden Lebens über die Rückkehr seines Heimatlandes in die Reihe der Nationen dachte, die Truppen in benachbarte und weit entfernte Länder entsenden und dort Krieg führen.
Es wäre sicher auch sehr erhellend, von ihm zu hören, ob nach seiner Meinung in seiner Militärkarriere jemals ein Kurswechsel stattgefunden hat oder ob sie ihn nicht – einer logischen, wenn nicht sogar unvermeidlichen Entwicklung folgend – auf dem gleiche Pfad von der Wehrmacht in die NATO geführt hat.
Man darf wohl annehmen, dass der Graf am Ende seiner Tage sogar stolz auf ein Deutschland gewesen ist, das zum drittgrößten Waffenhändler der Welt geworden ist und mit 126 Nationen – also mit mehr als zwei Dritteln aller Staaten der Welt Abkommen über Waffenlieferungen geschlossen hat, das derzeit Truppen in Kriegs- und Konfliktgebiete in mindestens elf Ländern entsandt hat und beim NATO-Gipfel dieses Jahres seine Armee auch wieder zu Hause einsetzte.
No comments:
Post a Comment